Margrit Schriber
«Ich wurde als Margaritha Elsa Weber in Luzern als Tochter eines Wunderheilers geboren und habe meine Kindheit in der Innerschweiz verbracht. Nach einer Banklehre und Sekretariatsarbeiten, verwaltete ich Immobilien samt Buchführung. Ich jobbte aber auch als Werbegrafikerin und Mannequin.
Mein Traumberuf war aber immer Schriftstellerin. So bildete ich mich autodidaktisch aus und publizierte 1976 meinen ersten Roman. Bis heute sind drei Erzählbände und 18 Romane erschienen. Ich bin dafür bekannt, Frauen eine Stimme zu geben, die nie eine Stimme hatten. Einige wurden brutal von ihrem Höhenflug zurückgeholt, weil die Zeit noch nicht reif war. Andere haben ihre Zeit genutzt und sich wie Maria Antonia Räss in «Die Stickerin» in die Sterne geschrieben.
Zudem engagiere ich mich als Mitglied beim Schriftstellerverband Autorinnen und Autoren der Schweiz (AdS) und beim «DeutschSchweizer P.E.N.-Zentrum».
Seit vielen Jahren lebe ich mit meinem zweiten Mann in Zofingen und in der Dordogne.»
Welche drei Tätigkeiten zeichnen Sie aus?
Bauen: Ich engagiere mich beim Gestalten von Wohnraum. So konnte ich ein Mehrfamilienhaus unter dem Titel «Jung und Alt unter einem Dach» mitplanen. Idee war eine Familienwohnung für die junge Generation, sowie eine Kleinwohnung für die ältere Generation. Im Jahr 1993 war dies noch eine revolutionäre Idee.
Nähen: Ich habe ein Flair für Mode. Es gab eine Zeit, da ich in der Freizeit nur nähte. Ich habe Altes aufgetrennt und jeden Stofffetzen zusammengesucht, dessen ich habhaft wurde. Das war zu einer Zeit, da ich noch nicht schrieb. Plötzlich fand ich Freude am Schreiben. Es hat jedes andere Bedürfnis nach Faszination weit übertroffen. Ich habe sofort zu nähen aufgehört. Bin von diesem Moment an nur noch durch die weitaus abenteuerlicheren Schluchten meiner Fantasie vagabundiert. Es gab also die Zeit des Nähens. Dann gab es die Zeit des Schreibens.
Vagabundieren: das trifft nur auf die Ausschweifungen meiner Fantasie zu. Im Leben sitze ich den ganzen Tag am Schreibtisch, überlege, erinnere, ändere. Ausgangspunkt zu einer Geschichte ist vielleicht eine gewöhnliche Beobachtung. Dazu fällt mir eine Idee ein. Ich setze die Beobachtung in Szene und treibe meine Figur gemäss der Idee ihrem abenteuerliches Schicksal zu. Und schon bin ich mitten in einer anderen Welt. Ich vagabundiere durch diese Welt. Es gibt zahllose Möglichkeiten, eine Geschichte zu gestalten. Vielleicht ist nur eine davon die Richtige. Wenn ich Glück habe, finde ich diese eine Variante. Wie auch immer: Schreibend habe ich die Wahl unter tausend Möglichkeiten. Dagegen das Leben. Ich frage Sie: Wo bleiben Ihre Abenteuer? Wie oft haben Sie Grund zum Jauchzen? An welcher Tür rütteln Sie. Was können Sie ändern? Ich gestehe: Meine Tage sind unspektakulär, einfach und überschaubar. Ich sitze am Schreibtisch. Halte mich an die Regeln. Liebe, leide, starre nachts an die Decke und altere. Aber ich schreibe. Das macht mein Leben für mich besonders. Denn einen Roman schreiben heisst, eine Variante des Lebens ausprobieren. Lesen heisst, sich aus dem Alltag klinken. Eine andere Möglichkeit durchdenken. Ich finde, dies ist ein guter Grund zum Lesen. Ein sehr guter Grund. Jeder Roman ist ein Tanz mit dem Leben.
Hand- oder Kopfarbeit?
Diese Frage ist, so denke ich, ausführlich beantwortet.
Ihr liebster Ort in der Schweiz: weshalb?
Mein Jagdhaus auf der Gälle im Rigigebiet. Ein Adlerhorst mit Blick auf Luzern. Dort ist absolute Ruhe. Es gibt nur das Glockgeläut der Rinderherde. Es gibt die Wildheuer. Die dramatische Abendröte. Und mich.
Ihre Lieblingsblume?
Ich habe Mühe eine Einzelne zu nennen. Ich bewundere sie alle.
Was schätzen Sie bei anderen?
Menschlichkeit. Respekt. Güte. Rücksicht.
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Eine Gesangstimme.
Was packen Sie immer in Ihren Koffer ein?
Einen Schreibblock und Schminkzeug.
Was war Ihre beste Entscheidung?
Mir das Schreiben beizubringen
Etwas, was Ihnen am Herzen liegt?
Mein Mann, meine Freunde, lebenslange Denkfähigkeit.
Welches Buch müssen wir aktuell lesen?
Natürlich «Die Stickerin»
Jeremias Gotthelf
Die schwarze Spinne
aus der Reihe «Gotthelf Zürcher Ausgabe»
560 Seiten, Softcover
Diogenes
Fr. 42.00
ISBN 978-3-257-07252-5