Claudia Knapp & Mayk Wendt

Mayk Wendt: 1982 erblickte ich im Osten Deutschlands das Licht der Welt. Aufgewachsen in einem kleinen Bauerndorf, verbrachte ich meine Kindheit vor allem auf dem Hof der Grosseltern. Die erste Kamera hielt ich bereits als Kind in den Händen. Nach der Matura «landete» ich im Unterengadin, wo ich eigentlich nur ein Jahr bleiben wollte. Daraus wurde bekanntlich nichts. Reisen und längere Aufenthalte in Neuseeland, Australien, der Südsee, verschiedenen afrikanischen Ländern, sowie auf den Färoer Inseln haben mich ebenfalls stark geprägt. Fotografie ist für mich auch immer ein Dialog. Es ist Begegnung mit dem Menschen, der Natur und den Landschaften. Ich lebe und arbeite nach wie vor als freischaffender Fotojournalist in Scuol.

Claudia Knapp: Sun üna da Scuol, fingià daspö 68 ons. Partida natüralmaing, sco bleras. A Turich, a stübgiar ün zich, lura rivi üna galleria d’art contemporanea a Cuoira, cumanzà a lavurar pro RTR, Televisiun, our dad interess per purtrets chi giran, inavant a Turich pro la Rundschau, sco redactura e produzenta. Tuot in d‘üna ja tut üna storta secha e rivada sü Val San Pieder sco codirectura da l‘Hotel Therme Vals. Tuornada darcheu in Engiadina, eir sco bleras. Lavurà cun e per (pütöst per) Not Vital, fabrichà intuorn üna chasa engiadinaisa, curatà la Chesa Planta a Samedan. E tschüf increschantüm. Quista ja pel mar, pel terrain dal süd. E m‘inamurada illa bos-cha d’olivas, in l‘öla d’oliva. Prodüt öla cun la frütta da meis bös-chs. Fat üna scoulaziun, dvantada experta dad öla d’oliva e uossa güdichesch eu la qualità in jurias a concuors.Viv intant a Genova ed a Scuol, e‘m lasch darcheu increscher, uossa per la bos-cha d’olivas. Guardain co chi va inavant.
Ich bin überzeugte Scuolerin, seit nunmehr 68 Jahren. Natürlich bin ich weg, wie viele. Zürich, Uni, dann eine Galerie für zeitgenössische Kunst in Chur, steiniger Boden damals. Wechsel zu RTR, televisiun rumantscha, aus Interesse an den Bildern, der filmischen Komposition. Wieder zurück nach Zürich, Journalistin und Produzentin der Rundschau. Und doch nahm ich eine eigenartige Kurve, landete als Hotel Ko-Direktorin in Vals, im Hotel Therme. Vielleicht doch nicht eigenartig, das Thema Gastlichkeit hat mich immer interessiert, Gastgeberin bin ich gerne. Dann ging’s zurück ins Engadin, wie wir das so zu tun pflegen, sind überzeugt, dass es keinen schöneren Ort gibt. Arbeitete für und mit Not Vital (mehr für als mit), habe ein altes, lange leer stehendes Engadiner Haus umgebaut und die Chesa Planta in Samedan kuratiert. Und wieder diese Sehnsucht, doch dieses Mal zog es mich ans Meer. Da habe  ich mich in den Olivenbaum verliebt, ganz fest. Olivenöl produziert, eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Olivenölexpertin gemacht. Als Jurymitglied beurteile ich jetzt die Qualität der Olivenöle.
Zur Zeit lebe ich zwischen Genova und Scuol, und schon wieder kommt eine Sehnsucht auf, nach den nicht mehr meinen Olivenbäumen. Mal sehen, wie’s weiter geht.

Welche der drei oben genannten Tätigkeiten zeichnen Sie aus?
Mayk: fotografieren, komponieren, justieren.
Claudia: Far ir il vent tras il cheu, metter öla dapertuot e dar brancladas.
Lüften, ölen, umarmen.

Bild oder Text? Weshalb?
Mayk: Manchmal bedarf ein Bild auch Text. Guter Text hingegen kommt auch ohne Bild aus. Dennoch -Bild-.
Claudia: Pütöst purtret. Ma purtret nu va sainza pled. Dimena tuots duos.
Mehr Bild, doch Bild geht nicht ohne Text. Am Anfang war das Wort. Beides.

Ihr Lieblingsort?
Mayk: munt da la bescha und die Clemgiaschlucht
Claudia: La muntogna ed il mar. Schonglesch tanter ün e tschel.
Das Meer und der Berg! Versuche zu jonglieren.

Was ist Ihr Lebensmotto?
Mayk: Sich selbst immer wieder überraschen und über sich selbst lachen können.
Claudia: Ma, propri motto nun haj‘eu. Prouv però dad esser usché vardaivla co pussibel.
Ich habe kein allgemein gültiges Motto. Ich reagiere. Versuche, wahrhaftig zu sein.

Was schenken Sie gerne?
Mayk: Natürlich schenke ich Bücher. Und schicke auch sehr gern Karten.
Claudia: Öla d‘oliva excellenta.
Exzellentes Olivenöl.

Was war Ihre beste Entscheidung?
Mayk: Vermutlich, dass ich vor mehr als 20 Jahren ins Engadin gekommen bin.
Claudia: Bleras decisiuns, adüna inavant esa da decider. Deiran quai bunas o noschas? La somma da tuot las decisiuns, güstas e fosas, portan a la fin a quai chi‘d es.Tantinavant a‘m para tuot ok.
Es waren viele. Gute wie schlechte. Nicht immer einfach, doch die Abfolge der Entscheidungen, ob richtige oder falsche, (wer weiss denn das schon?! ), diese Abfolgen führen zu dem, was ist. Was auch immer, so ist es.

Was rührt Sie zu Tränen?
Mayk: Ein wirklich gutes Stück Torte!
Claudia: Las larmas culan svelt. Quellas da commoziun e quai fa gnir amò pü comoss, usché chi nu schmettan pü, las masellas tuot bletschas e’l mascara tira striblas. Ün pastrügl.
Ganz vieles. Ich heule oft, meistens vor Rührung. Bin dann noch gerührter, Tränen benetzen die Wangen und vermischen sich mit Mascara. Manchmal auch peinlich. Jetzt kaufe ich nur noch wasserdichte  Mascara.

Wenn Sie ein Lebensmittel wären: Welches wären Sie?
Mayk: Das sollen mir gern andere sagen. (Aber sicher keine Torte)
Claudia:Üna oliva. Quella sa far usché bler. Al cumainzamaint ha’la regalà la glüm, ils vegls grecs ballaivan dal plaschair, cur cha‘l pavagl ha tschütschà sü l‘öla ed inglüminà la not. E lura la bellezza, ils corps nudrids e glüschantads cun öla d‘oliva faivan üna vaira parada. E cun las tecnicas nouvas da muglin cha no vain hoz rivaina da tour oura üna enorma varietà dad aromas our da quist früt.
Vielleicht eine Tomate? Aber eine von den guten, unter viel Sonne gewachsenen. Im guten Reifezustand gepflückt. Reif, saftig, ganz viel Geschmack. Ja, das würde mir ziemlich gut gefallen.

Worauf möchten Sie in ihrem Leben niemals verzichten?
Mayk: Auf Gesundheit und auf gute Nusstorten.
Claudia: La libertà e la pussibilità da decider. Tant stantus cha quai po esser minchatant. Ma tilla avair, quai es grondius.
Entscheidungsfreiheit, auch wenn oft mühsam. Aber diese Freiheit zu haben, ist schon ziemlich grossartig.

Welches Buch müssen wir aktuell lesen?
Mayk: Wenn man «Regen» von Ferdinand von Schirach gelesen hat (es ist ein dünnes Buch) sollte man unbedingt auch «Feuerlilie» von Gianna Olinda Cadonau lesen.
Claudia: «Faschist werden. Eine Anleitung» von Michela Murgia. E amò nö tradüt in tudais-ch  «Stai zitta!». Michela Murgia es morta in avuost dal 2023, dischplaschaivelmaing bler massa bod. Üna activista da la schnestra, chi s‘ha missa aint vehementamaing per ils drets da duonnas, cunter la homophobia. Üna duonna importanta, intelligiainta, ferma e curaschusa.
Michela Murgia, im August '23 viel zu früh verstorben. Grossartige Frau, linke Aktivistin, die sich für Frauenrechte, gegen Homophobie und vieles mehr eingesetzt hat. Leider ist noch nicht alles auf Deutsch übersetzt worden, doch «Faschist werden. Eine Anleitung». Oder, falls ihr Italienisch liest, «Stai zitta!».

 

Feuerlilie

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171 Seiten, gebunden
Lenos Verlag
Fr. 28.-
ISBN 978-3-03925-031-8

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Faschist werden

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112 Seiten, Paperback
Übersetzung aus dem Italienischen von Julika Brandestini
Wagenbach
Fr. 16.50
ISBN 978-3-8031-3686-2

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